An Tagen wie diesen, zwischen Neukundenpräsentationen, Stressjobs und dem Verarzten kranker Bürokatzen tut der Blick auf den Desktop gut. Jedenfalls dann, wenn er wie gerade jetzt einen sonnigen Nachmittag in einer lauschigen Ecke des Campus der Stanford University in Palo Alto zeigt. Da sind sie plötzlich wieder alle da, die Erinnerungen an unsere Kalifornienaufenthalte, die Fahrten auf dem Camino Real und die zahlreichen Besuche im Silicon Valley. Und ja, ich sollte eigentlich längst mein Desktop aufräumen und die Zahl der darauf abgelegten Ordner drastisch reduzieren…

Im Jahr 1347 ergaben sich laut der Chronik von Jehan Fressart sechs Patrizier der framzösischen Hafenstadt Calais den heranrückenden Armeen Eduards III. – mit „bloßem Haupt, barfuß, den Strang um den Hals“. Auguste Rodin, mitten ins 19. Jahrhundert hineingeboren  (1840 – 1917), nahm diese historische Begebenheit zum Anlass, eine der berühmtesten Großplastiken der Kunstgeschichte zu schaffen: „Die Bürger von Calais“. Berühmt nicht nur wegen erneuernden Wirkung auf die Kunst der Epoche, sondern mehr noch aufgrund ihrer zeitlosen Darstellung des Ringens um Menschlichkeit, die Rilke einen nicht enden wollenden Kommentar wert war. Kein Sockel erhebt die Plastik über den Betrachter, die Figuren setzen sich ihm unmittelbar mitmenschlich aus und ziehen ihn in ihren Bann. Große Kunst, die gegen den, gegen jeden Krieg mahnt. Einer der wenigen Abgüsse des Rodin’schen Meisterwerks von 1895 steht wo? Genau, an zentraler Stelle auf dem Campus der Stanford University. Als Flaggschiff der umfangreichen Rodin-Sammlung des universitätseigenen Cantor Art Centers. Und warum? Um hier von kichernden asiatischen StudentInnen in albernen Posen abgeMMSt, abgeFlickred und abgeYouTubed zu werden.

Mit einem letzten langen Spaziergang über den so riesigen wie paradiesischen Campus der Stanford University verabschieden wir uns von der Bay Area. Mit leiser Wehmut zwar. Doch nach einer einerseits überaus erfolgreichen Berichterstattung von der diesjährigen Macworld Expo, gezielten Besuchen im Silicon Valley und einigen wenigen unvergesslichen Urlaubstagen an der Mendocino Coast können wir uns guten Gewissens wieder dem hiesigen Tagesgeschäft widmen. Zwei größere DUESENjobs liegen bereits wieder auf dem Tisch…