Archiv für die Kategorie ‘Geschichte & Gesellschaft’

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Bun Bu Ryo Do

Veröffentlicht in Geschichte & Gesellschaft, Kunst & Kultur | 18. November 2008 | 21:18 | roland

„Sowohl die Feder als auch das Schwert führen“ (wörtlich: Literarische Studien, militärische Kunst, beide Wege) ist ein Prinzip des Budo, das sinngemäß besagt, dass so wie die beiden Flügel des Vogels nur im Zusammenspiel den Vogelflug ermöglichen, die gleichberechtigte Balance von Literatur, Philosophie und Dichtung als weiblichem Prinzip einerseits und die Kunst des Schwertkampfes als männlichem Prinzip andererseits den Weg zur Erleuchtung weisen. Feder und Schwert im Einklang, das war im alten Japan keine abgehobene Philosophie einer Samurai-Elite, sondern gelebtes Prinzip breiter Bevölkerungskreise. Während der Edo-Periode gab es in Japan erherblich weniger Analphabeten als im „aufgeklärten“ Europa. Vielleicht erklärt auch dies ein wenig, wie es dazu kommen konnte, dass das Schwert – Katana – in Japan zum ästhetischen Objekt hochstilisiert wurde und bis heute wird. Dass sich längst Kursangebote hierzulande der uralten Idee bemächtigt haben, nun ja, wen mag das verwundern? Interessanter  und näher am Kern der Sache ist da eher noch das Iaido, der Weg des Schwertes. M. J. Sullivan aka Seiho, ein bekannter, vom Zen-Buddhismus beeinflusster Kalligraph, der ausgerechnet im hintersten Colorado lebt, 50 Meilen südwestlich von Denver, erklärt hier recht anschaulich die Verbindung von Feder und Schwert. Ein faszinierendes Konzept in unserer überdrehten, beschleunigten und achtlosen Welt, wie ich meine und allemal intensivere Beschäftigung damit wert.

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Der Tag danach

Veröffentlicht in Geschichte & Gesellschaft | 10. November 2008 | 21:55 | roland

Der 10. November ist der Tag nach dem 9. November, kalendarisch gesehen. Tatsächlich aber ist er längst ein ebenso besonderer Tag wie sein Vorgänger, der unter der Last mehrfacher deutschhistorischer Großdaten ächzt. So muss man wohl damit leben, dass der viel zu lange Wiedervereinigungsschatten des gestrigen 9.11. – „Nine-Eleven“ verkehrt herum! – den eigentlichen Anlass des Gedenkens Jahr für Jahr weiter und nun auf den 10. November verdrängt hat. Sei’s drum! Trotzdem und gerade deswegen waren wir heute Abend in der Paulskirche, um uns an die 70. Wiederkehr der Pogromnacht von 1938 zu erinnern und ja, auch das, erinnern zu lassen.

Wahrlich, kein schlechter Ort, das nüchterne Innere dieses geschichtsträchtigen Bauwerks. OB Petra Roths wie alle Jahre wieder wohlgesetzten Worte vernahmen wir ohne große Überraschungen zu erwarten. Auch wenn sie durchaus nicht den Eindruck eines Diensts nach Vorschrift vermittelte. Wesentlich leidenschaftlicher und in weiten Teilen gleichermaßen sprachlich brillant wie bildreich waren hingegen die Worte von Dr. Dieter Graumann, dem Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland und Mitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main. Kantiges Gedenken statt rundes Erinnern forderte er in Anbetracht des allzu runden 70-jährigen Jubiläums jener mit „Reichskristallnacht“ so sprachbarbarisch verbrämten, zentral gelenkten Progromnacht, die beides war – Versuchsballon zum Testen des Widerspruchswillens (nein, es gab keinen!) der deutschen Bevölkerung und Startschuss für die mit deutscher Gründlichkeit industriell organisierte Massenvernichtung von Millionen Juden. Das Kantige im Runden suchen, ja, das tut Not. Auch nach 70 Jahren noch. Oder wieder? Dr. Graumann wusste einen großen Bogen zu spannen von der nie endenden Notwendigkeit zu erinnern über den an ein Wunder gemahnenden Neuanfang jüdischer Kultur in Deutschland, nicht zuletzt getrieben durch mehr als 200.000 russische Juden, die den Weg hinein in die geschrumpften und oft überalterten, wenigen verbliebenen jüdischen Gemeinden in Deutschland gefunden haben. Jüdisches Gemeindeleben in Deutschland hat nicht nur eine Zukunft. Es ist eine Zukunft aus sich selbst heraus und für uns alle. Auch wenn das neue deutsche Judentum der Zukunft – da ließ Dr. Graumann keinen Zweifel – ein anderes sein wird als das alte deutsche Judentum, das diesem Land Sternstunden der Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur beschert hatte, jahrhundertelang. Jenes erhoffte neue deutsche Judentum jedoch wird weniger schwärmerisch sein, weniger leidenschaftlich deutsch, aber ganz gewiss nicht weniger kreativ und produktiv, mit festem, analytisch klarem Blick auf eine deutsche Gesellschaft, die hier mehr als irgendwo sonst die Chance hat, vom Multikulturellen zu profitieren. Dr. Graumanns Verve beim Beschreiben dieser Vision lässt uns hoffen, dass in den kommenden Jahren vielleicht doch wieder zusammenwächst, was zusammengehört. Nahtlos. Manchmal auch atemlos, gewiss.

Nach Dr. Graumann kam der Ehrengast des Abends zu Wort – Aliza Olmert, die ausgerechnet in einem „Displaced Persons Camp“ der Alliierten 1946 in Eschwege geborene Gattin des immer noch amtierenden israelischen Ministerpräsidenten. Als Bildhauerin und Schriftstellerin mit visuellen und sprachlichen Symbolen nur zu vertraut, wusste sie – kaum gehandicapt durch ein, mit Verlaub, grottenschlechtes Englisch – eine Verbindung herzustellen zwischen der „Kristallnacht“ des Jahres 1938 und, vielleicht, jenen des 21. Jahrhunderts. Jenen, die von den bloggenden Mahmoud Ahmadinejads dieser Welt so bewusst wie leichtfertig im Munde geführt werden. Vorläufig nur dort, muss man wohl sagen. Und recht hat Aliza Olmert, wenn sie darauf verweist, dass auch 1938 von viel zu vielen in leider jeder Beziehung unbeteiligten Zuschauern das Zeichenhafte jener Nacht nicht gesehen werden wollte. Vielleicht – so spekuliert sie – weil die damaligen Nachbarn, ganz normale, zum Respekt vor ihrer Obrigkeit erzogene Staatsbürger, unsicher, überrascht und paralysiert waren? Egal. Es lohnt sich, Aliza Olmerts manchem hypersensibel erscheinende Warnung ernst zu nehmen: Wenn Autorität in Gewalt umschlägt, ist höchste Wachheit und größte Aufmerksamkeit geboten! Jederzeit. Auch heute. Wobei meiner Beobachtung nach heute staatliche Gewalt viele Formen annehmen kann, auch virtuelle, schleichend den Datenschutz einschränkende und die Bürgerrechte beschneidende. Mit diesem Gedanken im Kopf ließen wir die Veranstaltung zu Ende gehen. Und er klang noch lange nach…

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Vor rund 450 Jahren…

Veröffentlicht in Geschichte & Gesellschaft, Kunst & Kultur | 08. November 2008 | 12:10 | roland

…in der Muromachi-Periode des alten Japan hat irgendwo in der damaligen Provinz Mino ein Meisterschmied der Kanesada-Schule den Auftrag eines Mitglieds des Samurai-Clans der Sakai entgegen genommen, ihm ein Katana für die bevorstehenden Kämpfe an der Saite des Matsudaira-Clans zu schmieden. Sakai Tadatsugu selbst wird wohl nicht der Auftraggeber gewesen sein, denn dann wäre die Angel des Katana vermutlich mit einem entsprechenden Mei des Schmieds und vielleicht auch mit einer Widmung versehen. wer weiß, vielleicht nahm dieses Katana sogar an der Schlacht von Sekigahara teil, in der die lange Dominanz der Tokugawa-Shogune begründet wurde? Wie auch immer. Nach vielen Irrungen und Wirrungen und von Generation zu Generation weitervererbt, fiel das Schwert schließlich während des Burma-Feldzuges, irgendwann zwischen Dezember 1941 und Februar 1943, in die Hände eine britischen Offiziers, als sein letzter Träger, der älteste Sohn jener Sakai-Familie, fiel. Über einen Sammler geriet es schließlich ins DUESENhome. Es ist überaus spannend, zu recherchieren, welchen Weg durch die Geschichte die Klinge genommen hat und wer sie in Händen hielt. Mindestens so spannend ist es allerdings, zu erforschen, wer der Schmied war. Dazu werde ich hier in loser Folge plaudern…

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Na also!

Veröffentlicht in Geschichte & Gesellschaft, Politik & Politiker | 05. November 2008 | 15:59 | roland

Ich war so frei, hier die heute Nacht in Chicago gehaltene Danksagungsrede des 44. Präsidenten der vereinigten Staaten zu verlinken. Der Mann verspricht mehr oder weniger „Blut, Schweiß und Tränen“, schafft es aber zugleich, Hoffnung zu vermitteln und die Gegner von gestern bereits heute mit in die Pflicht zu nehmen. Ich drücke ihm die Daumen!

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Der Countdown läuft…

Veröffentlicht in Geschichte & Gesellschaft, Politik & Politiker | 04. November 2008 | 22:19 | roland

Auch wenn die Hochrechnungen eine klare Sprache zu sprechen scheinen… gerade nach den Erfahrungen in Florida bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen in den USA wird das Rennen erst gelaufen sein, wenn die Zahlen auf dem Tisch liegen. Und das wird heute Nacht unserer Zeit eine ganze Weile dauern. Eine Nacht, die wir uns hier um die Ohren schlagen werden, geht es doch um nicht mehr und nicht weniger als einen historischen Wendepunkt – nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern auch für den nicht unbeträchtlichen Rest der Welt. Und ja, nach ausgiebiger Lektüre und Rezension seines aufschlussreichen zweiten Buches und den kenntnisreichen und zugegebenermaßen enthusiastischen Beschreibungen guter Freunde in Oakland, sind wir entschiedene Anhänger dieses Barack Obama. Vielleicht, weil er den Mut hat, eine Vision zu vertreten. Etwas, was wir bei den politischen Entscheidungsträgern hierzulande schmerzlich vermissen…

(©Foto: www.barackobama.com)

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